Der Ablauf einer Fast-Tragödie oder „Glück im Unglück“
Hier der Bericht des Piloten Reinhard Leveringhaus:
Der Rückflug von Mengen, wir hatten uns mit Fliegerfreunden dort getroffen, erfolgte bei schönstem Wetter. Es war böig und turbulent, da zu dieser Zeit thermische Ablösung herrschte. Sonst aber recht unspektakulär. Auf das Einschalten des Transponders und GPS habe ich verzichtet, da ich den Flug im unteren Luftraum G und E mit Kleinnavigation durchführen wollte.
Der Höhenmesser war auf Mengen Platzhöhe eingestellt. Nach ca. einer halben Stunde Flugzeit erreichten wir die Platzrunde von Kempten in der vorgeschriebenen Platzrundenhöhe von 3300 ft. MSL angezeigt. Nach meiner Meldung an die Luftaufsicht: „Queranflug“ und „Eindrehen Endteil“ meldete sich auch ein UL Flugzeug in Ziellandeposition zur Landung Piste 25. Ein Motorsegler befand sich im kurzem Endteil. Jetzt haben wir dann den Luftraum abgesucht, um nicht in Kollision mit dem UL zu kommen und nötigenfalls durchzustarten. Beim Eindrehen ins Endteil zur Piste 25 wurde die Höhe von 3300 ft. verlassen und der Sinkflug eingeleitet. Aufwinde über dem Kemptener Wald machten ein Nachdrücken erforderlich und die Sinkrate wurde erhöht. Da der Blick zu diesem Zeitpunkt auf die Suche nach dem UL ausgerichtet war, und der Anflug ja in vermeintlich sicherer Höhe stattfand, überraschte uns der Crash mit der Blitzschutzleitung völlig ahnungslos. Vermutlich schob sich die Blitzschutzleitung über das Bugrad, schlug am Auspuffrohr an und das Flugzeug wurde im Flug abgebremst. Das Flugzeug kippte dann zur linken Seite ab und das rechte Hauptrad legte sich über die Blitzschutzleitung. Ein Glücksfall ohne gleichen. Die Schwerpunktverlagerung führte zum Abgleiten auf der Blitzschutzleitung Richtung Mittelpunkt zwischen den Leitungsmasten. Jetzt kam es zu leichten Schwankungen und Beruhigung der Situation. Der Absturz war gebremst und wir hingen wie an einem Haken an der Blitzschutzleitung. Unter uns die vermeintlich Strom führenden Leitungen und dasselbe neben uns. Jetzt gab es nur noch einen Gedanken: Das kann man nicht überleben; entweder wir stürzen doch noch ab oder es trifft uns ein Stromschlag. Ich habe meiner Frau gesagt: „Das war’s Tschüss, wir sehen uns in einer anderen Welt wieder“. Meine Frau antwortete: „Ja, tschüss mein Schatz“ und wir warteten auf das Ende. Doch unser Ende war wohl noch nicht vorgesehen.
Nach Erwachen aus der Schock-Erstarrung habe ich dann den Notruf auf der Kemptener Frequenz abgesetzt und um Einleitung der Rettung und Umleitung des Anflugverkehr gebeten. Es vergingen nur wenige Minuten, bis wir Funkkontakt mit Michael Bergmann hatten, der sofort zum Unfallort gefahren kam und uns mitteilen konnte, dass wir relativ sicher hängen würden.
Wir hingen kopfüber und konnten alle Rettungsmaßnahmen erkennen und zum Teil auch durch koordinierte Hinweise beeinflussen. Je weiter die Zeit voranschritt desto größer wurde auch unsere Hoffnung, dass die Rettung gelingen würde. Zwischenzeitlich mussten wir die rechte Tür öffnen, da uns sonst der Gestank des auslaufenden Benzins die Sinne geraubt hätte. Während der gesamten Rettung wurden wir vom Unfallarzt und Michael Bergmann mit Informationen zum Fortgang der Rettungsaktion versorgt. Nach 2 1/2 Stunden Angst und Bangen, konnte die lang ersehnte Bergung beginnen. Meine Frau wurde als Erste, über die rechte, ausgebrochene Tür, erschöpft aber unversehrt, geborgen. Nach einigen Minuten wurde ich auf demselben Wege aus der misslichen Lage befreit. Die Erleichterung, wieder Boden unter den Füßen zu haben, kann man nicht beschreiben, wir waren „wie neu geboren“. Erst im Rettungswagen wurde mir übel, als dieser durch das unebene Gelände und durch die Kurven fuhr.
Noch auf der Aufnahmestation wurden wir von der Polizei zum Unfallhergang befragt.
Anschließend auf Verletzungen und Schock untersucht und gemeinsam in ein Zimmer verlegt. Mit Hilfe eines Schlafmittels kamen wir zur Ruhe.
Am nächsten Morgen schob meine Frau im Krankenzimmer die Gardinen auf, die Sonne schien - ein herrlicher Tag - und im Radio erklang das Lied von Udo Jürgens: „...und immer, immer wieder geht die Sonne auf......“, da war es mit unserer Beherrschung am Ende, die Nerven lagen blank und wir haben uns frei geweint.
Noch am Vormittag konnten wir das Krankenhaus verlassen.
Nachmittags bin ich dann zur Pressekonferenz nach Durach zum Flugplatz gefahren. Meine abschließende Äußerung: „Ich werde wohl meine Fluglizenz ruhen lassen und nicht mehr fliegen“, war umgehend vom Winde verweht, als Michael Bergmann zu mir kam und mir den Zündschlüssel für die Cessna 172 - D-EAHO - in die Hand drückte und mich sanft, aber bestimmt zum Flugzeug zerrte. „Du fliegst jetzt sofort“, sagte er, schob mich in den Flieger und setzte sich auf den Co-Pilotensitz. Wir flogen Richtung Füssen-Neuschwanstein und Zugspitze. Diese Strecke habe ich zigmal geflogen, aber nie wie jetzt die Landschaft, die Berge, dass Schloss, die Seen, Wälder und Wiesen in mich aufgenommen und genossen.
Welch eine schöne Landschaft zog da unter uns durch. Hatte ich das früher auch schon so gesehen? Oder hat sich mein Bewusstsein verändert ? Was war nun die Ursache dieser Fasttragödie ?
Die Analyse aus dem Geschehenen lässt folgenden Schluss zu:
Ein Fehler allein kann es nicht gewesen sein.
Was ist da zusammengekommen?
Ich muss da von vorne anfangen:
Der Start und Anflug:
Die Strecke führt im unteren Luftraum E und G mit 120 ° nördlich an der Kontrollzone von Friedrichshafen vorbei direkt in die Platzrunde von Kempten-Durach. Gestartet wurde auf der Piste 08 in Mengen mit der eingestellten Platzhöhe von 1820 ft. und auf eine Flughöhe von 4500 ft. gestiegen. Über dem Ort Buchenberg wurde die Reiseflughöhe verlassen und der Sinkflug auf die Platzrundenhöhe von 3300 ft. eingeleitet. Der Rest ist oben beschrieben.
Während des Eindrehens in das Endteil zur Piste 25 meldete ein zweiter Flieger den Anflug aus der Ziellandeposition zur 25. Jetzt wurde der Blick von der Landebahn auf die Suche nach dem anderen Flugzeug nach oben gerichtet.
Gleichzeitig erfasste uns eine Leewelle und das Unglück war passiert. Unkontrolliert gerieten wir in die Hochspannungsleitung.
Während der 2 ½-stündigen Rettungsaktion war Zeit genug, die Instrumente zu checken und die mögliche Ursache zu suchen. Der Höhenmesser zeigte 3200 ft an. Das ist eine sichere Höhe. Hier stimmt was nicht. Ich habe die angenommene Höhe von 2800 ft eingedreht und ein QNH von 1005 hPc abgelesen.
Das mitgeteilte QNH von Kempten war1015.hPc. Wie lautet noch der Spruch: “vom Hoch ins Tief geht schief“. Ich hatte eine Differenz von 10 hPc und einen Höhenunterschied von 500 ft. Meine Irritation war groß. Was war hier geschehen.
Später habe ich habe den Höhenmesser ausgebaut und von der Firma Winter, Flug-Instrumente, untersuchen lassen.
Das Gutachten brachte dann die Lösung:
Eine Feder, die von der Druckdose die Zeiger steuert, war gebrochen.
Der rote Pfeil zeigt die Bruchstelle
Dies führte zu einer Fehlanzeige, die bis zu 1000 ft. oberhalb der Toleranzgrenze sein konnte.
Unser Leben hing also vom Bruch einer kleinen Feder ab und hätte fast unseren Tod bedeutet.
Höhenmesser Vergleich
Linker Höhenmesser zeigt 2460 ft rechter defekter Höhenmesser zeigt 3095 ft
Beide bei QNH 1025 hPc
Hätte ich das merken können?
Ich hatte einige Tage vor diesem Flug einen neuen Transponder Mod. S von TRIG einbauen lassen.
Auf dem Hinflug nach Mengen am Vormittag habe ich einen Transponder-Check mit Friedrichshafen Tower durchgeführt.
Alle Daten stimmten überein. Die Höhenanzeige am Transponder, Höhenmesser und das QNH wurden zurück gelesen. Alles war okay. Was habe ich dann falsch gemacht? Ich finde keine Lösung.
Fragen bleiben:
UV-Schutz-Verglasung, Sonnenbrille, Sicht gegen die Sonne?
Kann man die Leitung noch erkennen?
Sichtbälle an der Leitung waren nicht vorhanden. Nach dem Unfall wurden sie installiert!!
Wann ist die Feder gebrochen ? schon lange vor dem Unfall oder erst auf diesem Flug?
Übrigens lt. Schreiben des Luftamt Südbayern brauchte ich keinen Höhenmesser, da ja der Flug nach Sichtflugregeln durchgeführt wurde.
Habe ich doch vor gar nicht allzu langer Zeit gelesen, dass mit Radarpistolen Jagd auf zu tief fliegende Piloten gemacht wurde, die ihre Flughöhen nicht entsprechend der Vorschriften in der Platzrunde eingehalten haben!!
Das hat mich in der Tat nachträglich noch umgehauen
Meine Verunsicherung ist perfekt. Bin ich nun der Depp, der Pechvogel oder der Glückspilz?
Meinen Entschluss, nicht mehr zu fliegen, habe ich über den Haufen geschmissen. Ich möchte 32 Jahre Fliegen, mit wunderbaren Erlebnissen, nicht mit einem so negativem Erlebnis abschließen.
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